Der Begriff Rollkur (auch Hyperflexion genannt) steht für ein gewolltes Herabziehen des Pferdekopfes in Richtung Brust mit Hilfe der Zügel. Man sagt auch: „Das Pferd „beißt“ sich in die Brust.“ Schon im 19. Jahrhundert wurden in der Dressur, die sich aus der Militärreiterei entwickelte, der Hals des Pferdes stark gedehnt.
Dieser Artikel ist Teil 1 einer Serie zur Rollkur.
Vorwort
Wer diesen Artikel liest, wird sehr schnell bemerken, dass der Autor ein Befürworter der klassischen Reiterei und ein Gegner von Rollkur ist. Ich versuche möglichst sachlich zu bleiben, obwohl mich diese Form der Tierquälerei – nichts anderes ist es – wütend macht. Ich möchte mit diesem Artikel in erster Linie aufklären und zwar auch die Menschen, die nicht viel mit Reiterei zu tun haben. Aber auch die Zuschauer, die sich einfach gern Turniere ansehen, können mithelfen, dass man irgendwann den Pferden beim Sport und beim Training wieder Luft zum Atmen lässt.
Das langjährige Training mit dem Ziel, die perfekte Symbiose zwischen Pferd und Reiter zu schaffen und gemeinsam ihr Können zu steigern, sollten wieder den Sieg ausmachen und nicht, wie weit man bereit ist, sein Pferd zu schinden. Schnelle Erfolge und junge Pferde, die nach wenigen Jahren im Training verbraucht sind, sollten endlich der Vergangenheit angehören. Pferde sind keine Sportgeräte, die man austauscht, wenn sie abgenutzt sind!
Der Begriff
Im Jahr 1992 äußerte sich der Verhaltensforscher Heinz Meyer kritisch zu dieser Methode des Reitens und nannte den Vorgang „Rollkur“. Damals wurde der Beitrag mit einem Foto des zweifachen Olympiasiegers Rembrandt mit einem „aufgerollten Hals“, wie es in der Fachsprache heißt, untermalt. Der Begriff Rollkur ist also nichts weiter als ein Wortspiel.
Viele Menschen beißen sich aber gern an dem Begriff Rollkur aus der Medizin fest. In dieser Rollkur wird dem Patienten ein Medikament zur Behandlung von Magenerkrankungen gegeben. Damit das Mittel im gesamten Magen wirken kann, muss sich der Patient auf den Bauch, beide Seiten und Rücken legen – sich also rollen. Der hier genannte Begriff hat aber mit dieser Methode nichts zu tun.
Rollkur in den Medien
Nachdem der erste Artikel aus dem Jahr 1992 über die Rollkur von Heinz Meyer eher wenig Aufsehen erregte, befasste sich 13 Jahre später Gabriele Pochhammer in einem Text noch einmal mit dem Thema. Anders als Heinz Meyer, der den Umgang international erfolgreicher Reiter mit ihren Pferden auf dem Abreiteplatz und die Untätigkeit der Kampfrichter und der FEI kritisierte, griff Gabriele Pochhammer als deutsche Journalistin kurz vor den Europameisterschaften die schärfsten Wettbewerber (Niederlande) direkt an. Das sorgte für Aufsehen und so gelang es schließlich, die Tierquälerei „Rollkur“ in das Licht der Öffentlichkeit zu ziehen.
Entwicklung der Rollkur
Zuerst war die Rollkur nur ein beliebtes Mittel in der Dressurreitereri. Aber in den letzten Jahren hat sich die Rollkur auch in anderen Reitsportarten etabliert. Das mag daran liegen, dass zum einen ein derart eingeengtes Pferd seinem Reiter hörig und somit leichter zu händeln ist. Erfolge für den Reiter stellen sich leichter ein. Zum anderen finden die Zuschauer die aufgerollten Hälse der Pferde adrett. Aber Vertreter der klassischen Reiterei begannen mit der Aufklärung.
Unter dem immer größer werdenden Druck von Befürwortern und Gegnern, führte 2006 die Internationale Reitervereinigung FEI eine Expertenanhörung durch. In diese Anhörung wurden große Hoffnungen von vielen Tierschützern gesetzt. Es könnte endlich zu einem Wendepunkt in der Reiterei kommen. Doch die Anhörung kam zu dem Schluss, dass es keine wissenschaftlichen Hinweise gebe, dass die Verwendung der Methode durch geschulte Trainer schädlich sei.
Um dem negativen Touch der Methode durch das Wort Rollkur zu entgehen, entstand während der Anhörung der Begriff Hyperflexion of the neck („Überdehnung des Halses“).
Im Jahr 2008 übte die FEI erstmals offizielle Kritik an der Rollkur:
“There are no known clinical side effects specifically arising from the use of hyperflexion, however there are serious concerns for a horse’s well-being if the technique is not practiced correctly. The FEI condemns hyperflexion in any equestrian sport as an example of mental abuse. The FEI states that it does not support the practice.”
„Es können keine klinisch nachweisbaren Nebeneffekte mit der Hyperflexion in Verbindung gebracht werden, es bestehen aber ernsthafte Bedenken betreffs des Wohlbefindens des Pferdes, wenn diese Technik nicht korrekt angewendet wird. Die FEI verurteilt Hyperflexion in jeder reitsportlichen Disziplin als ein Beispiel von mentalem Missbrauch. Die FEI betont, dass sie diese Trainingsmethode nicht unterstützt.“